Viele Teams sind nicht mehr vor Ort zusammen. Es ist nicht mehr wie „früher“. So fehlen viele spontane Begegnungen auf dem Flur und an der Kaffeemaschine. Keine Mitarbeitergespräche oder Meetings vor Ort. Wozu führt das? „Man bekommt sich nicht mehr so mit“. Klar.
Auch in meinen Leadership-Trainings: Viele unterschiedliche Fragen.
Das Spektrum?
Von…
- „Ich bin unsicher, wie es meinen Leuten wirklich geht.“
bis zu
- „Wie behalte ich die Kontrolle, was im Homeoffice passiert?“
Kontexte Führung und Team: Corona wirkt wie ein Brennglas
Auf die Kontexte Führung und Team wirkt Corona wie ein Brennglas.
Ich erlebe es zum Glück eher selten, das Führungskräfte Fragen von Misstrauen und Kontrolle beschäftigt. Wer ernsthaft daran zweifelt, dass seine Leute im Homeoffice arbeiten und sich nicht lieber Netflix widmen, hatte schon vor Corona ein Vertrauensproblem. Die aktuelle Zeit zeigt also einmal mehr:
Wer hat als Leader seine Hausaufgaben rechtzeitig macht? Wer hat verschlafen?
Technische Berührungspunkte machen vielleicht Kontakt – aber keine Beziehung.
Das trügerische in der aktuellen Situation ist: Viele Menschen haben das Gefühl, in „Kontakt“ zu sein. Hochfrequenter und dichter als jemals zuvor.
Woran liegt das? Tools wie MS Teams, Zoom, Slack, Skype und die gute alte Email werden entweder erstmalig oder aber viel intensiver genutzt.
Die Gefahr: Technische Berührungspunkte machen vielleicht einen Kontakt. Aber keine Beziehung.
So wirkt die ganze Szene wie ein schleichendes Gift – Teammitglieder entfernen sich voneinander. Das kann in Bezug auf Beziehungen zu Strömungsabriss und zu Konflikten im Team führen.
Dies habe ich jüngst als Coach mit einem Team erlebt, wo über eine WhatsApp-Gruppe ein solch handfester Konflikt zwischen zwei Untergruppen ein und desselben Teams entstand, der nur noch mit externer Hilfe eingefangen werden konnte.
Eine Erkenntnis sei allen gleich folgenden Tools noch vorangestellt – weil sie so wichtig ist. In den meisten Teams herrscht folgende Realität vor:
Unter dem Diktat der Dringlichkeit rennt man den ganzen Tag herum und bearbeitet die Prioritäten Anderer: Tickets, Projektkrisen, Geschäftsvorfälle, Anforderungen von Kunden und Stakeholdern, Deadlines…
Nur was ist mit unseren EIGENEN Anforderungen, den Anforderungen des Teams an sich selbst?
Ein Team braucht Nährstoffe zum Leben.
Ein Team ist wie ein Lebewesen. Genau wie der menschliche Körper braucht es Nährstoffe. Und da gibt es den großen Unterschied zwischen „überleben“ und „leben“. Wie sagt man so schön: Man lebt nicht nur von Luft und Liebe. So ist es auch im Team.
Es braucht einiges mehr, als jeden Monat den Teammitgliedern ein Gehalt zu überweisen oder den gelegentlichen Austausch. Das wissen wir doch aus eigener Erfahrung. Mancherorts mag man nicht arbeiten, obwohl vielleicht Salär und Arbeitsausstattung stimmen.
Freundinnen und Freunde sagen dann:
„Also nun hör aber auf, Du kannst Dich ja nun wirklich nicht beschweren.“
Die Frage, die aktuell in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt ist also hilfreicherweise:
„Was brauchen wir, damit wir als Team weiterhin freudig, beschwingt und produktiv unsere Arbeit tun können?“
Der Satz „Beziehungen lassen sich nicht digitalisieren“ stimmt (nur zum Teil)
Belastbare Beziehungen zeichnen sich durch viele unterschiedliche Faktoren aus. Vertrauen und Nähe sind die beiden, die auf den ersten beiden Plätzen rangieren.
Technik allein macht, obwohl sie für „touchpoints“ sorgt, noch keine Beziehung.
Zu Beziehung gehört immer Begegnung, und alleine indem man chattet oder mailt passiert die noch nicht. Allerdings kann man auch im virtuellen Raum für Begegnung sorgen – sogar für Begegnungen, die tatsächlich berühren. Und wann sind wir berührt? Wenn wir „offene Flanke“ zeigen. Nah, verletzlich, persönlich und echt.
Wie geht das im Alltag, wo wir unter dem Diktat der Dringlichkeit rumrennen? Tag für Tag die Prioritäten oftmals anderer abarbeiten? Genau. Das geht gerne unter. Und so wirkt diese einmal begonnene Dynamik wie ein schleichendes Gift, und ein Prozess der Entfremdung und größer werdender Entfernung droht.
Mit den folgenden Methoden gebe ich Dir insgesamt fünf einfache Strategien an die Hand. Vier davon kannst Du selbständig – ohne externe Unterstützung oder Budget – anwenden.
Strategie 1: Virtuelles Kaffeetrinken
Der Nr. 1 Faktor für gelingende, wachsende und vertrauensvolle Beziehungen? Gemeinsam verbrachte Zeit. Verabredet Euch mal für ein lockeres Beisammensein. Das muss gar nicht lang sein – aber eine Regel steht fest: Es geht NICHT um Arbeitsthemen. Klönt und quatscht, übers letzte Wochenende, Haus, Hund, Kind, Klavier – egal!
(Kleiner Tipp am Rande: Es gibt im Spielwarenladen oder Buchhandel Eures Vertrauens so kleine Kartenspiele zu kaufen. Pro Karte eine Frage. Macht Euch auf was gefasst – das bringt Euch auf Themen… Ihr werdet es lieben! Schreib mir eine Mail, wenn Du was dazu wissen möchtest.)
Wenn Ihr reihum Fragen beantworten oder alle hintereinander Fragen beantworten wollt – was können das für Fragen sein? Beispiele:
- Womit habe ich mein erstes Geld verdient?
- Wenn ich 1 Million Euro hätte, dann…
- „Lieblingsurlaub“…
- Der „perfekte“ Tag/ Morgen/ Sonntag/ Städtetrip
- Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich getan habe…
- Mein peinlichstes Erlebnis auf einem Business Trip
- Was ich gerne schon mit 20 gewusst hätte…
Strategie 2: Ein analoges, persönliches DANKE nach Hause schicken – per Post
Der Briefträger klingelt und überreicht mir einen Umschlag – er ist zu groß für den Briefkasten. Eine Kooperationspartnerin hat mir ein kleines Mut-Mach-Buch zugeschickt, mit einem Kärtchen. Auf der Vorderseite steht: „Fühl Dich gedrückt“ – auf der Rückseite noch ein handschriftlicher Gruß und ihre Unterschrift.
Ich war so, so berührt und dankbar für diese Geste. Es war in einer Zeit, als es mir nicht so gut ging – emotional, coronabedingt. Und irgendwie hatte sie das gespürt und diese kleine Post für mich aufgegeben.
In einer immer mehr digitalen Welt kommen die analogen Dinge besser zur Geltung. Wertschätzend und aufmerksam. Ein kleines „Dankeschön“-Päckchen nach Hause oder beim Wechselschichtbetrieb allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Platz legen – und sich einfach an den Reaktionen freuen. Sowas kommt einfach gut an. Und übrigens immer auch wieder zu einem zurück 🙂
Strategie 3: Team-Rituale erschaffen oder wiederbeleben
Viele Teamrituale sind in den letzten Monaten zu kurz gekommen, wenn nicht komplett eingeschlafen oder untergegangen: Das gemeinsame Grillen im Sommer, der informelle Stammtisch, das Geburtstags-Kaffeetrinken in der Teamrunde, ganz zu schweigen von den ganzen Weihnachtsfeiern…
Jetzt kommt: „Ja neeee, is‘ ja Corona.“ Dazu ein Zitat: „Wer etwas nicht will, findet Gründe. Wer etwas will, findet Wege.“ So oder so ähnlich. Henry Ford hat das meines Wissens gesagt.
Also: Warum nicht überlegen, was man unter den Vorzeichen von heute kreieren kann?
Montags einen Check-In im Team: „Was habe ich schönes am Wochenende erlebt? Wie starte ich in die Woche?“ Hier kann man übrigens wunderbar die „Frage der Woche“ herausgeben, die dann bei einem CheckOut am Freitag von allen beantwortet wird. Ich kenne einige Teams, die das mit großer Leidenschaft und Freude praktizieren. Alle freuen sich immer schon auf Montag, wenn die neue Frage kommt. Gibt’s das wirklich? Ja, klar!
Zusätzlicher Profi-Tipp: Sprecht auch über Highlights und Lowlights: Was war mein Highlight der Woche? Worüber habe ich mich total gefreut? Worauf bin ich rückblickend stolz? Und auch: Was war mein Ärgernis der Woche? Wo hatte ich Frust, Wut, Enttäuschung?
Durch den eindeutigen Rahmen, auch das Negative benennen zu dürfen, erschaffst Du einen Rahmen, der sagt: Es ist okay, auch zu sagen, wo man sich schlecht gefühlt hat. Sehr wichtig!
Strategie 4: Positiver Tratsch
Diese Übung ist mir jüngst wieder in einem Newsletter einer Kollegin begegnet. Ich kenne sie schon viele Jahre, und ich dachte mir: Mensch JA, das ist genau die richtige Zeit, um das mal wieder auszumotten!
Positiver Tratsch kann wunderbar in virtuellen Teammeetings praktiziert werden. Die Person, über die „positiv getratscht“ wird, macht einfach ihre Webcam aus. Man kann – zumindest bei Zoom, einstellen, dass Teilnehmer:innen mit ausgeschalteter Webcam in der Galerieansicht ausgeblendet werden; das führt zu dem Gefühl, die Person sei wirklich gar nicht mehr da, obwohl sie natürlich noch am Meeting teilnimmt.
Dann teilt man, was man an der Person schätzt und toll findet: Den Humor in schwierigen Teamsituationen, den fröhlichen Kleidungsstil, das vermittelnde Talent im Umgang mit schwierigen Kunden, die persönlichen Geburtstagsgrüße.
Ich sage Dir: Das geht runter wie Öl und tut so gut. Eine wahre Seelenmassage.
Strategie 5: Eintägiges Team-Offsite mit inspirierender Moderation
Ein Tag Boxenstopp. Mal anhalten. Reflektieren. Wohltuende Übungen miteinander machen. Räume für Austausch nutzen. Sich offenes, ehrliches Feedback zur Zusammenarbeit geben. Der Führungskraft wertvolle Hinweise zu ihrem Führungsverhalten geben (Wovon mehr? Was vielleicht weniger?).
Etwas Input zu den Themen Kommunikation und Zusammenarbeit von einem hochenergetischen, gut gelaunten, erfahrenen Moderator und Teamcoach bekommen :-))
An einem Tag schafft man nicht nur all das, sondern ist auch noch dazu in der Lage, Herausforderungen, Team-Ziele und entsprechende Maßnahmen zur Lösung zu finden. Entwicklung eines mit Terminen und Verantwortlichkeiten versehenen Aktionsplans inklusive.
Wenn Du von solch einem hilfreichen Format profitieren möchtest: Schreib mir eine kurze Nachricht und wir trinken einen virtuellen Kaffee oder Tee zusammen. Ich nehme mir sehr gern die Zeit. Wir sprechen über Dich, Dein Team, Eure Herausforderungen und Ziele. (Das kostet übrigens, natürlich abgesehen von der investierten Zeit, gar nichts!)
Ich freue mich über Deine Kommentare oder Feedback zu diesem Blogbeitrag und hoffe, Du konntest etwas für Dich mitnehmen.
Was ist es?
Herzlich
Matthias Herzberg
#gerneperdu
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